1 Editionsrichtlinien der Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe (KMG). Textkritische und kommentierte Edition

1.1 Hintergrund, Absicht – und die Idee einer dokumentarischen Edition

Das Gesamtwerk Klaus Mollenhauers soll in einer textkritischen und kommentierten hybriden Edition, der Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe (KMG). Textkritische und kommentierte Edition publiziert werden. Ziel ist es, alle veröffentlichten, d. h. im engeren Sinne, in Verlagen publizierten, Schriften Mollenhauers in die Edition aufzunehmen, um seine Publikationen vollständig abzubilden. Übersetzungen und graue Literatur werden ebenfalls aufgenommen, aber weniger umfangreich kommentiert, als die publizierten Werkteile. Neben der Vollständigkeit ist die Chronologie leitendes Prinzip der KMG. Alle Werke werden in ihrer chronologischen Reihenfolge wiedergegeben, um die Genese des Werks nachvollziehen zu können. Viele von Mollenhauers Texten haben mehrere Auflagen erlebt, die hier in der KMG alle wiedergegeben werden. Die Ausgabe ‚erster Hand‘, also die früheste Publikation, stellt dabei den jeweiligen Leittext dar. Diese Festlegung berücksichtigt auch ein Charakteristikum der Arbeit Klaus Mollenhauers, dass einige seiner wichtigen monografischen Werke auf Aufsätzen beruhten, die zuvor bereits an verschiedenen Stellen veröffentlicht worden waren. Die Ausgabe erster Hand soll diese ursprünglichen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhänge wieder deutlich machen, ohne dadurch die Besonderheit der Zusammenstellungen von Aufsätzen in gesonderten Büchern zu negieren. Neben seinem Werk werden veröffentlichte Interviews, in denen Klaus Mollenhauer ein Gesprächsteilnehmer ist, in die KMG aufgenommen.

Ein zweiter integraler Bestandteil der KMG besteht darin, den Nachlass Klaus Mollenhauers so zu erschließen und aufzuarbeiten, dass er für die kritische Kommentierung der KMG genutzt werden kann. Der Nachlass umfasst insgesamt 25 Aktenordner mit a) Korrespondenz (zum größten Teil alphabetisch nach Korrespondent*innen sortiert), b) Texten bzw. Manuskripten und c) Lehrmaterialien sowie in zehn Kartons weitere Korrespondenz und Lehrunterlagen, Unterlagen zur Tätigkeit an der Universität, Exzerpte und Arbeitsmaterialien, Manuskripte und Texte, z. T. Fragmente, biografische Materialien von Mollenhauer und Texte über Mollenhauer. Darüber hinaus können evtl. Video- und Tonaufnahmen von Mollenhauer (Vorträge, Gespräche) und mehrere Rollen Filme sowie ergänzende Materialien aus einem Forschungsprojekt aus dem Archiv des Instituts für Erziehungswissenschaft einbezogen werden.

Ziel ist es eine Edition herauszugeben, die die späteren Leser und Leserinnen, Forscherinnen und Forscher „nicht entmündig[t]“ (Sahle 2013, S. 344), indem sie die Texte möglichst nicht verfremdet zur Verfügung stellt. Die Wiedergabegenauigkeit der Originale bezieht sich vor allem auf die inhaltliche Erschließung. Bei der formalen Erschließung ist die Idee leitend, dass die Texte Mollenhauers in der Regel keine Texte sind, „bei denen die Optik der realen Fassungen wichtiger ist als die Idee des verbindenden Idealtextes“ (Sahle 2013, S. 217). Daher verzichten wir bei der Erfassung der formalen Struktur weitestgehend auf Charakteristika des Textsatzes, wie beispielsweise Schriftart und Größe.
Für die Edition ist der Anspruch leitend, das Werk Mollenhauers zum einen zu dokumentieren, zum anderen durch Erläuterungen und Kommentierungen für die weitere wissenschaftliche Analyse sowie für Studienzwecke zu erschließen. Damit entspricht die KMG der Idee einer dokumentarischen Edition und Archivausgabe, die versucht „quellennahe Texte ohne übermäßige Eingriffe und vorgängige Interpretation“ (Sahle 2013, S. 218) anzubieten, zugleich aber editorisches Wissen zur sachlichen Erschließung nicht vorzuenthalten. Darüber hinaus bietet der Nachlass Klaus Mollenhauers die Möglichkeit, zu einem vertieften Verständnis des Werks Klaus Mollenhauers beizutragen. So kann sein Werk um von uns entdeckte, bislang weitgehend oder gänzlich unbekannte Texte, die im Kontext der anderen Schriften ihren Stellenwert erhalten, sowie durch ausgewählte Materialien aus dem Nachlass erweitert werden. Parallel zur Erstellung der Edition wird das Werk inhaltlich untersucht, die Ergebnisse fließen in die Kommentierung ein. Den verschiedenen Ansprüchen begegnet die Edition mit unterschiedlich stark angereicherten Ansichten.

1.2 Vokabular der Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe (KMG). Textkritische und kommentierte Edition

Die Herausgabe einer Edition mithilfe des TEI-Schemas und der Auszeichnung in XML erfordert eine eigene Sprachregelung und Einigung auf ein Vokabular.
Aufführung der Begriffe und Bedeutungen:
Term Erklärung
Werk Gesamtheit der Fassungen eines Texts (Leittext, andere Fassungen, KMG-Text)
Ausgabe Eine bestimmte Publikation, damit Teil einer Fassung
Leittext Erste Fassung eines Werks (Grundlage der Erstellung eines KMG-Texts)
Fassung Alle textlich-identischen Ausgaben eines Werks bilden eine Fassung
KMG-Text Im Rahmen der KMG veröffentlichte Texte inklusive der Kommentare usw.
Editionsprojekt DFG-Projekt „Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe (KMG). Textkritische und kommentierte Edition“
Gesamtedition Gesamtheit der KMG-Texte

1.3 Textwiedergabe und editorische Eingriffe ins Werk

1.3.1 Formale Erschließung der Textstruktur

Einzelne Vorgehensweisen zu unterschiedlichen formalen Fragestellungen:

1.3.2 Bilder und Grafiken

Das Werk Mollenhauers zeichnet sich durch die vielseitige Verwendung von Abbildungen von Kunstwerken aus. Daher werden Abbildungen als Scans angezeigt und soweit möglich zu einer digitalen Repräsentation des Kunstwerkes verlinkt, i. d. R. zur besitzenden Institution. Außerdem verwendet Klaus Mollenhauer vor allem in späteren Werken Noten von Musikstücken, auch diese werden aufgenommen.
Abbildungen werden in der vorliegenden Weise als Scans wiedergegeben, farbige Darstellungen werden nur angeboten, wenn auch die Vorlage in Farbe gedruckt war. Wenn digitale Repräsentationen vorhanden waren, werden diese als Links angeboten. Zusätzlich erhalten die Abbildungen eine kurze Beschreibung, die sie identifizierbar machen bzw. die bei gegebenenfalls auftretenden Schwierigkeiten mit der Darstellung als Ersatz angezeigt wird. Grafiken werden als Scan wiedergegeben; die in der Grafik enthaltenen Wörter werden als Klartext hinzugefügt, um sie mittels Volltextsuche auffinden zu können.

1.3.3 Inhaltliche Erschließung und Erläuterung von Textbestandteilen

Die KMG verfolgt das Ziel, eine kritische Gesamtausgabe zu erstellen, dazu gehört die Erläuterung von Textstellen oder Passagen des Werks. Dies sind die Stellen, an denen ‚von außen‘ Informationen hinzugefügt werden, die der sachlichen Erschließung der Inhalte dienen, das Verständnis erleichtern bzw. Recherchearbeiten vorwegnehmen sollen.

Zitate, Paraphrasen und Literaturangaben

1.4 Arbeitsschritte

1.4.1 Verarbeitung

Jedes Werk der Klaus Mollenhauer Gesamtausgabe hat folgende Schritte durchlaufen:

  1. Der Text wurde digitalisiert und i. d. R. per OCR umgewandelt. D. h., dass das OCR-Ergebnis automatisiert in eine TEI-Vorform überführt wurde und in das TextGrid-Repository übertragen wurde. Sofern eine automatische Texterkennung nicht möglich bzw. die Textvorlagen zu schlecht für eine OCR war, wurden die Texte direkt im XML-Editor eingegeben. In diesem Arbeitsschritt wurden die grundlegenden Metadaten (Textherkunft, Absätze, Seitenwechsel) erfasst und die Textstruktur entsprechend den TEI Guidelines (https://tei-c.org/Guidelines/P5/) kodiert, so dass jederzeit die Originalstruktur der Texte in der Fassung des für die Edition relevanten Erstdrucks rekonstruierbar ist (s. 1.4.3).
  2. Wenn mehrere Auflagen eines Textes vorlagen, wurden die Texte von mehreren Personen vergleichend gelesen und Abweichungen notiert (s. 1.4.2).
  3. Der Leittext wurde in das TextGridLab eingearbeitet, d. h. a) der Text wurde auf Auszeichnungsfehler durch das OCR geprüft, b) der Text selbst wurde – soweit er nicht Teil einer Kontrolllesung war – auf Druckfehler, erklärungsbedürftige Ausdrücke u. ä. geprüft, c) der Text wurde in XML ausgezeichnet.
  4. Mit einigem zeitlichen Abstand erfolgte von derselben oder von einer anderen Person eine abschließende Kontrolllesung des Editionstextes.
  5. Parallel dazu wurde der Nachlass von Klaus Mollenhauer ausgewertet, woraus zentrale Dokumente für die Edition ausgewählt und editorische Kommentierungen erstellt wurden, die in der abschließenden Kontrolllesung eingefügt wurden. (Bei der Beschreibung handelt es sich um den idealtypischen Ablauf, in der Praxis konnte die Abfolge variieren.)

1.4.2 Kontrolllesungen

Monografien
Der Auflagenvergleich für Monografien (M) Klaus Mollenhauers erfolgte zunächst als genauer „Wort für Wort“-Auflagenvergleich anhand eines zehnseitigen Auszugs.
Falls (a) Abweichungen auftraten, wurde eine genaue Vergleichslesung der gesamten Leittext-Monografie mit den betreffenden Fassungen vorgenommen. Falls (b) keine Abweichungen auftraten, wurden die restlichen Seiten der Ausgaben kontrolliert, indem das erste und letzte Wort einer Doppelseite verglichen wurden. Zusätzlich wurde als Stichprobe eine 1:1-Kontrolle jeder zwanzigsten Seite durchgeführt.
Wenn der Ausgabenvergleich entsprechend (b) durchgeführt wurde, wurde als weitere Sicherheitsschleife die punktuelle Prüfung von Fehlern eingebaut. Wenn während der XML-Auszeichnung des Leittextes Fehler auffielen, wurden diese mit den späteren Ausgaben verglichen, um etwaige Überarbeitungen und Korrekturen festzustellen. Über dieses abgestufte Verfahren konnte sowohl ein ökonomisches Vorgehen gewährleistet, als auch sichergestellt werden, dass Fassungen und Textänderungen entdeckt werden.
Falls (c) bei den verschiedenen Proben aus (b) Abweichungen auftraten, wurde eine 1:1-Vergleichslesung der gesamten Ausgaben durchgeführt.
Falls (d) in einer oder mehrerer Folgeauflagen durch den Verlag angegeben wurde, dass es sich um eine erweiterte, veränderte o. ä. Auflage handelt, erfolgte eine 1:1-Vergleichslesung der betreffenden Auflagen.

Aufsätze, die nur in einer Publikation, aber mit mehreren Auflagen veröffentlicht wurden
Mehrfachauflagen desselben Aufsatzes in mehreren Auflagen wurden entsprechend des Vorgehens (M) kontrollgelesen.

Aufsätze, die in mehreren Auflagen in verschiedenen Publikationen vorkommen (MA)
Der Vergleich unterschiedlicher Publikationen eines Aufsatzes (A) in Sammelbänden, Zeitschriften oder Monografien wurde immer als Wort-für-Wort-Vergleich durchgeführt.
Zunächst wurden die Fassungen der Aufsätze, die in Monografien bzw. Sammelbänden vorkommen, nach dem Vorgehen (M) kontrollgelesen. Handelte es sich um Sammelbände, erfolgte der zehnseitige Textauszug anhand eines Aufsatzes von Mollenhauer.
Falls (a) keine Abweichungen zwischen den Texten bestehen, wurde der Leittext mit den anderen (Erst)auflagen der Monografien und gegebenenfalls weiteren Textzeugen verglichen. Dieser Vergleich erfolgte nach dem vereinbarten Vorgehen für Aufsätze (A). Abweichungen wurden im Leittext ausgezeichnet.
Falls (b) Abweichungen zwischen den Texten bestehen, wurden für die Texteinheiten (Aufsätze, Kapitel), in denen Veränderungen festgestellt wurden, eine 1:1-Vergleichslesung durchgeführt und die Abweichungen im Leittext ausgezeichnet.

1.4.3 TEI und XML-Auszeichnung

Für die digitale Edition der Mollenhauer-Publikationen wurden alle Textkorpora nach den Richtlinien der TEI in der Version P5 Version 4.0.0 ausgezeichnet.
Hierzu wurde ein angepasstes Metadatenschema sowohl für das Werk als auch für den Nachlass Klaus Mollenhauers iterativ entwickelt.
KMG Metadatenschema

1.5 Urheberrecht

Zur Klärung von urheber- und verlagsrechtlichen Fragen, wurden im Vorfeld die Erbin, Susanna Mollenhauer, die Verlage, Ko-Autor*innen um Zustimmung gebeten. Für den Abdruck der Korrespondenz wurden die betreffenden Briefpartner*innen angefragt.
Frau Mollenhauer hat die urheberrechtliche Zustimmung zum Neuabdruck und zur Neuveröffentlichung der Werke Klaus Mollenhauers in einer Gesamtausgabe erteilt. Ebenso haben alle Ko-Autor*innen sowie Mitherausgeber*innen ihre Zustimmung zur Publikation in der KMG gegeben. Verlagsrechtlich lagen keine Hinderungsgründe für die KMG vor, da es keine Schriften Mollenhauers gibt, die zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Rahmen der KMG unterhalb der im Verlagsgesetz (§ 2, Abs. 3) gesetzten Frist von 20 Jahren erstmals erschienen sind.

Literatur

Sahle, P. (2013): Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Norderstedt.